Die 1883 eröffnete Brooklyn Bridge in New York City ist eine der ältesten und bekanntesten Hängebrücken in USA. Weniger bekannt ist, dass dieses Bauwerk von einem deutschen Ingenieur errichtet wurde, der seine Karriere in Westfalen begann: Johann August Röbling. Nach seinen Plänen wurde 1839 in Laer eine Hängebrücke über die Ruhr erbaut. Sie gilt als eine der ersten ihrer Art in Deutschland und ist die einzige in Europa, die in ihrer Originalsubstanz erhalten ist.
Johann August Röbling wurde 1806 in der thüringischen Stadt Mühlhausen geboren, die damals zum Königreich Preußen gehörte. Bis 1826 studierte er an der Königlichen Bauakademie in Berlin Architektur, Tief- und Brückenbau, Deichbau, Hydraulik und Maschinenbau. Es war eine Zeit, in der in Bayern, der Pfalz und Westfalen die ersten Hängebrücken entstanden; Röbling inspizierte diese Brücken und war fasziniert. Als er nach seinem Studium eine Stelle als „Baukondukteur“ in Westfalen erhielt, zog er nach Eslohe und entwickelte bereits 1828 erste Pläne für Hängebrücken über Ruhr und Lenne. Zwar realisierte er sie nicht selbst, aber im Jahr 1839 griff der Architekt A. Bruns auf seine Pläne zurück, als er im Auftrag des Grafen von Westphalen eine Fußgängerbrücke bei Schloss Laer baute.
Diese Brücke in Laer ist ein ganz besonderes technisches Denkmal, das unverkennbar die Handschrift des berühmten Architekten Röbling trägt. Zwar erreicht sie nur eine Länge von 28 Metern im Vergleich zu den fast zwei Kilometern der Brooklyn Bridge, weist aber als stählerne Hängebrücke die gleichen Konstruktionsmerkmale auf wie ihre „große Schwester“ in New York.
Auch ihre Instandhaltung folgt den gleichen Prinzipien. „Eisen ist zwar ein sehr robustes Material, aber natürlich hinterlässt die Zeit ihre Spuren“, erläutert Dr. Harm tho Seeth, Leiter der Centralverwaltung Graf von Westphalen, die auf Gut Laer untergebracht ist. „Von Anfang an wurde die Brücke regelmäßig kontrolliert und immer gut in Stand gehalten.“ Mehr als 100 Jahre wurde sie intensiv genutzt. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts verlor die Brücke mehr und mehr an praktischer Bedeutung, wurde jedoch als traditionsreiches Baudenkmal geschätzt und erhalten und im Jahr 2003 aufwändig grundsaniert. Umso größer war die Betroffenheit, als die Brücke 2007 durch den Orkan Kyrill schwer beschädigt wurde. Glücklicherweise konnte sie mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und des Landes NRW wieder in Stand gesetzt werden.
Und wie erging es dem Architekten Johann August Röbling? Er wanderte 1831 über Bremen nach Amerika aus, kaufte Land in Pennsylvania und gründete dort die Siedlung Germania, die später in Saxonburg umbenannt wurde. Zuerst arbeitete er in der Landwirtschaft, dann als Ingenieur und nahm 1837 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Den Grundstein für seine Karriere als Erbauer von Hängebrücken legte er 1845 mit der Smithfield Street Bridge in Pittsburgh, die eine Spannweite von 57 Metern aufweist. Weitere Beispiele seines Wirkens sind die Niagara Falls Suspension Bridge von 1855 mit einer Spannweite von 260 Metern und die 1867 fertig gestellte Brücke über den Ohio River in Cincinnati, die mit 322 Metern Länge bis zum Bau der Brooklyn Bridge die längste Hängebrücke der Welt war und später ihm zu Ehren John A. Roebling Suspension Bridge genannt wurde.
Sein bekanntestes Meisterwerk, die Brooklyn Bridge, überspannt den East River in New York und verbindet Stadtteile Brooklyn und Manhattan. Bei einer Gesamtlänge von 1.834 Meter erreicht sie eine Gesamtstützweite von 1.055 Metern, die längste Stützweite beträgt 485 Meter. Röbling erlebte die Fertigstellung der Brücke jedoch nicht: Er verunglückte bei einer Besichtigung des Bauplatzes und starb infolge einer Blutvergiftung. Sein Sohn Washington und später dessen Ehefrau Emily übernahmen die Leitung des Projektes. Emily Röbling war es auch, die am 24. Mai 1883 als erster Mensch die Brücke überquerte.
Dass der Architekt Johannes A. Röbling auch in seinem Heimatland unvergessen ist, zeigt eine besondere Ehrung anlässlich seines 200. Geburtstags: Die Deutsche Post gab 2006 eine Sonderbriefmarke heraus. In Laer wird zum Gedenken an Röbling natürlich keine Briefmarke benötigt: Die Brücke am Schloss erinnert jeden Tag an ihren berühmten Architekten – und schlägt immer auch eine gedankliche Brücke nach Brooklyn, New York.